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“Und wie ich zu Abraham in Bezug auf die Geschlechter der Erde gesagt habe, so sage ich auch zu meinem Diener Joseph: In dir und in deinen Nachkommen werden die Geschlechter der Erde gesegnet sein.” (Lehre und Bündnisse 124:58).
Lehre und Bündnisse 124:56-96 – Ein Haus für die Generationen und eine Ordnung für die Schlüssel
Bauwerke und Berufungen als Zeichen des Bundes
Die Verse 56–96 stellen eine faszinierende Mischung dar: Auf der einen Seite geht es um sehr konkrete Bauanweisungen für das Nauvoo-Haus – ein Gästehaus, das Pilgern, Reisenden und Führern als Begegnungsort dienen sollte. Auf der anderen Seite werden hohe geistliche Berufungen übertragen, besonders an Hyrum Smith, der mit Schlüsseln, Vollmacht und einer klaren Rolle in der Kirche ausgestattet wird. So verbindet der Herr das Sichtbare und das Unsichtbare: Gebäude, die für Generationen Bestand haben sollen, und geistliche Ämter, deren Wirkung ebenfalls auf Generationen ausgelegt ist.
Das Nauvoo-Haus: Ein Bund über Generationen (Verse 56–63)
Der Herr erklärt zunächst, dass das Nauvoo-Haus „meinem Namen gebaut“ und ein Ort für Joseph Smith und seine Nachkommen „von Generation zu Generation“ sein soll (V. 56–57). Diese Verheißung erinnert unmittelbar an den Bund mit Abraham: „In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ (1 Mose 12:3). Ebenso wie Abraham ein Segensträger für seine Nachkommen wurde, sollte Josephs Linie einen bleibenden Platz in diesem Haus haben.
Verse 60-61 drücken aus, dass das Nauvoo-Haus nicht nur eine Herberge für müde Reisende sein sollte, sondern auch ein geistiges Begegnungszentrum, ein Ort für Beratung, Lehre und geistliche Bestätigung. Menschen, die von Gott „als Pflanzung des Ruhmes“ (also bewährte, gottesfürchtige Führer oder Zeugen) gesetzt waren, sowie „Wächter auf den Mauern Zions“ (die Propheten, Seher und geistigen Wächter des Volkes), sollten sich dort mit Besuchern austauschen.
Regeln der Rechtschaffenheit im Umgang mit Anteilen (Verse 64–72)
Besondere Sorgfalt widmet der Herr den finanziellen Regeln für den Bau: kein Anteil unter 50 Dollar, kein Anteil über 15.000 Dollar, und jeder musste bei der Übergabe bar bezahlen (V. 64–69). Zudem wird eine strenge Strafe ausgesprochen: Wer Mittel zweckentfremdet, ohne den vierfachen Ersatz zu leisten, „wird verflucht sein“ (V. 71).
Diese strikten Vorgaben zeigen, wie wichtig Transparenz und Treue im Umgang mit heiligen Geldern sind. Schon im Neuen Testament war es Hananias und Saphira, die durch Unaufrichtigkeit beim Gemeindevermögen gerichtet wurden (Apostelgeschichte 5:1–11). Hier verdeutlicht der Herr erneut, dass das Werk Zion nicht durch Betrug oder Eigennutz entweiht werden darf.
Individuelle Aufrufe und Verheißungen (Verse 73–83)
Mehrere Einzelpersonen werden direkt angesprochen. Vinson Knight soll „die Stimme erheben für die Sache der Armen“ (V. 75). Hyrum Smith, Isaac Galland, William Marks, Henry G. Sherwood und William Law sollen Anteile erwerben (V. 77–82).
Die Segnungen sind bemerkenswert: Isaac Galland wird ausdrücklich gelobt und seine Sünden vergeben wegen seines Dienstes (V. 78). Vinson Knight wird als Anwalt der Armen eingesetzt – ein Hinweis darauf, dass wahre Religion nicht ohne Nächstenliebe besteht (vgl. Jakobus 1:27).
Gleichzeitig wird Almon Babbitt getadelt, weil er „sein eigenes goldenes Kalb“ aufrichtet (V. 84). Damit wird die alte Versuchung sichtbar: anstelle des Rates der Propheten den eigenen Weg zu suchen.
Treue am Ort Zion (Verse 85–87)
Der Herr mahnt: „Lasst niemand von diesem Ort weggehen, der mit dem Bestreben, meine Gebote zu halten, hierhergekommen ist.“ (V. 85). Diese Worte sind eine direkte Einladung, in Nauvoo zu bleiben und dort Zion zu bauen.
Der Gedanke erinnert an Jeremia 29:7, wo die Verschleppten in Babylon aufgefordert werden: „Suchet der Stadt Bestes … denn wenn es ihr wohlgeht, so geht es auch euch wohl.“ In einer schwierigen Zeit sollen die Heiligen also nicht nach Sicherheit in der Ferne suchen, sondern am Ort ihres Berufens bleiben, dort arbeiten, leiden und gesegnet werden.
William Law und der Ruf zur Verkündigung (Verse 88–90)
William Law wird erneut erwähnt: Er soll das Evangelium in umliegenden Städten predigen (Warsaw, Carthage, Burlington, Madison), auf den Rat Josephs hören und seine Mittel zur Unterstützung der Armen und zur Veröffentlichung der neuen Bibelübersetzung einsetzen.
Besonders auffällig ist die Verheißung in Vers 90: „so werde ich ihn mit einer Vielfalt von Segnungen segnen, sodass er nicht verlassen sein wird, noch seine Nachkommen um Brot betteln müssen.“ Das verweist auf Jesu Worte: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch dies alles hinzugefügt werden.“ (Matthäus 6:33).
Tragischerweise erfüllte William Law diesen Ruf nicht dauerhaft – doch die Verheißung bleibt als Grundsatz gültig: Wer seine Ressourcen für das Reich Gottes einsetzt, empfängt reiche geistliche und zeitliche Segnungen.
Die Übertragung der patriarchalischen Schlüssel an Hyrum (Verse 91–96)
Der Höhepunkt dieser Verse ist die Neuberufung Hyrum Smiths: Joseph soll William Law als Ratgeber einsetzen, „damit mein Diener Hyrum das Amt im Priestertum und als Patriarch übernehmen kann“ (V. 91).
Hyrum erhält die Schlüssel der patriarchalischen Segnungen (V. 92), die Macht zu binden und zu lösen (V. 93), und wird selbst als Prophet, Seher und Offenbarer eingesetzt, „gleichwie mein Diener Joseph“ (V. 94).
Hier geschieht eine machtvolle Ausweitung der Führung der Kirche. Hyrum wird nicht nur Josephs engster Unterstützer, sondern ein zweites prophetisches Zeugnis. Zwei Zeugen – wie in 2 Korinther 13:1 („Durch zweier oder dreier Zeugen Mund soll jede Sache bestätigt werden“) – bestätigen die göttliche Führung der Kirche.
Diese Berufung war auch eine göttliche Vorbereitung: Da Joseph 1844 in Carthage ermordet werden sollte, war es nötig, dass Hyrum bereits in Schlüsselfunktionen ordiniert war. Auch wenn er im Märtyrertod an Josephs Seite starb, zeigt sich, dass der Herr sein Werk absichert, indem er Vollmachten überträgt und bestätigt.
Anwendung für heute
Die Verse 56–96 lehren uns mehrere Prinzipien für die Gegenwart:
- Treue im Umgang mit heiligen Geldern: Alles, was wir dem Herrn weihen, muss mit Ehrlichkeit behandelt werden.
- Nächstenliebe als Prüfstein: Wie Vinson Knight sind auch wir aufgerufen, für die Armen einzutreten.
- Bleiben, wo der Herr uns pflanzt: Zion wird dort gebaut, wo wir treu dienen – nicht durch Flucht in bequemere Umstände.
- Familien-Segen über Generationen: Wer den Bund mit Gott hält, bereitet seinen Nachkommen bleibenden geistlichen Reichtum.
- Die Schlüssel des Priestertums sichern das Werk: So wie Hyrum Schlüssel empfing, bleibt auch heute die Führung der Kirche durch lebende Propheten gesichert.

